Derivate-Experte hegt Zweifel an Argumenten der SEC

Professor Julian Roberts: "Gegenwette des Hedgefonds ist nicht entscheidend, sondern dass es sich bei Derivaten um Risikogeschäfte handelt. Für die gelten andere Regeln."

München, 19. April 2010 - Der deutsch-britische Jurist Professor Dr. Julian Roberts, einer der führenden deutschen Experten auf dem Gebiet der strukturierten Finanzprodukte, hat die Klageschrift der S.E.C. gegen Goldman Sachs analysiert und kommt zu dem Schluss: "Bei aller Sympathie für die Investoren sind wir nicht davon überzeugt, dass das Argument der S.E.C. in dieser Form schlüssig ist."

Dass ein Hedgefonds als Gegner im Geschäft präsent war, sei nicht entscheidend. Jede Wette erfordere zwangsläufig einen Gegner dessen Interessen und Prognosen naturgemäß den eigenen diametral entgegengesetzt seien. "Wenn alle auf denselben Ausgang wetten würde, käme keine Wette zustande", so Professor Julian Roberts (Wolfsteiner Roberts & Partner, München)

Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC wirft Goldman Sachs vor, ihren Kunden Anfang 2007 ein toxisches Wertpapier mit dem Fantasienamen "Abacus" verkauft zu haben, ohne sie darüber zu informieren, dass gleichzeitig ein mächtiger Hedgefonds auf den Absturz des Produktes wettet. Mehr noch: Die Betreiber dieses Hedgefonds durften vorher auch noch die Referenzobligationen des CDO "Abacus" bestimmen.

Die SEC wirft Goldman Sachs nun Betrug vor, weil die Teilnahme des Hedgefonds hätte offengelegt werden sollen. Kein normaler Investor würde sich - so die Unterstellung - auf einen großen Hedgefonds als Wettgegner einlassen.

CDOs sind im wesentlichen Wetten darüber, ob bestimmte Unternehmen oder Investitionen ("Referenzobligationen") vor Ablauf eines vorgegebenen Zeitraumes in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten werden oder nicht. Die deutsche IKB hat sich mit USD 150 Mio an "Abacus" beteiligt. Die holländische Bank ABN-AMRO, die später von der britischen Royal Bank of Scotland gekauft wurde, hat sich mit USD 800 Mio beteiligt. Die Banken verloren fast eine Milliarde US-Dollar, die als Gewinn direkt an den Hedgefonds gingen.

Professor Roberts dazu: "Das Argument aus dem "Interessenskonflikt" ist bei professionellen Kunden und bei Derivaten (die allesamt als Wetten strukturiert werden) nicht überzeugend. Dies ist in den letzten Monaten auch die Meinung der deutschen Gerichte in zahlreichen "Zinsswap"-Streitigkeiten gewesen."

Es gebe aber ein treffenderes Argument, das Professor Roberts in deutschen Zinsswap-Fällen zuletzt beim OLG Stuttgart mit Erfolg vorgetragen hat: "Derivate sind nicht nach dem Modell eines Kaufvertrags zu bewerten. Derivate sind Risikogeschäfte - wie Glücksspiele oder Versicherungsgeschäfte - und für Risikogeschäfte gelten rechtlich gesehen andere Regeln."

Ein Beispiel für den Unterschied: Bei Kaufgeschäften muss der Käufer selbst aufpassen, dass er das bekommt, was er haben will. Hinterher darf er sich (meistens) nicht mehr beschweren. Beim Glücksspiel ist das anders. Wie der BGH immer wieder bestätigt hat, erklärt jeder Teilnehmer am Glücksspiel stillschweigend und unabhängig von der Kompetenz seiner Mitspieler, dass der Zufall nicht "ausgeschaltet" wurde, dass die Wette fair ist. Die Gewinnerwartungen der Spieler dürfen nicht heimlich verschoben werden. Nichts anderes gilt in anderen Rechtsordnungen.

Fairness liegt aber offensichtlich dann nicht mehr vor, wenn ein komplexes Finanzinstrument so strukturiert wird, dass ein Teilnehmer nach objektiver statistischer Bewertung von Anfang an eine merklich geringere Gewinnerwartung hat.

Ob die Gewinnerwartungen zum Zeitpunkt des Abschlusses bei "Abacus" ausgewogen waren, sagt die SEC nicht. Es sieht zwar nicht danach aus, denn die IKB erhielt für ihre Tranche einen Zins-Aufschlag von lediglich 1,10 % über LIBOR. Das ist nicht viel für eine riskante Wette. "Diese Frage lässt sich aber nur durch eine entsprechende finanzmathematische Analyse klären, welche die SEC vornehmen lassen sollte", so Professor Julian Roberts.